Sunday, May 19, 2013

Griechenlands Selbstbewusstsein ist zurück

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Chuzpe hat der Mann: Fährt nach Peking, vergleicht sein klammes Griechenland mit einem Riesenreich, das kaum weiß, wohin mit seinem Geld. Beide Länder seien schließlich Wiegen uralter Kulturen. Und dann lädt Antonis Samaras in dieser Woche die chinesische Wirtschaft auch noch ein, "an der griechischen Erfolgsgeschichte teilzuhaben".


Gastgeber China schwieg sich in der Frage vornehm darüber aus, ob man diese Lageeinschätzungen teilt. Das Selbstbewusstsein jedenfalls ist zurück in Athen. Es ist auch der Stolz des Unterschätzten, der den griechischen Premierminister mit geradem Rücken zu Hause und in der Welt auftreten lässt – Stolz bis hin zum Übermut: Schon im kommenden Jahr werde Griechenland wieder an die Kapitalmärkte zurückkehren, kündigte Samaras an.
Zwar misst sich der Erfolg, den Samaras ausmacht, nicht in Wirtschaftswachstum oder Arbeitsmarktdaten: Die Arbeitslosigkeit steigt weiter, ein Ende der schon sechs Jahre währenden Rezession ist weit mehr Hoffnung als Prognose.
Aber verglichen mit dem politischen Chaos, das vor einem Jahr in Athen herrschte, zwischen den Wahlen vom Mai und denen vom Juni, lässt sich der Fortschritt nicht leugnen. Verglichen mit den Szenarien von Austritt und Rauswurf und der Angst, dass Griechenland die ganze Euro-Zone sprengen könnte, scheint die Lage heute ruhig.

Und verglichen mit seinen eigenen Äußerungen zu Sparkurs und Reformen vor der Wahl zum Regierungschef, die ihn in Europa als höchst unsicheren Kantonisten dastehen ließen, sind Samaras zwei Erfolge nicht abzusprechen, die kaum alle beide zu erreichen schienen: Er stellt die Geldgeber zufrieden – und stabilisierte gleichzeitig, bis zu einem gewissen Grad, die griechische Politik und Gesellschaft.

Euro-Finanzminister loben Griechenlands Fortschritte

"Beträchtliche Fortschritte bei der Umsetzung der Haushalts- und Strukturreformen" bescheinigten die Finanzminister der Euro-Zone den Griechen in dieser Woche und gaben 7,5 Milliarden Euro frei, die nächste Tranche aus dem Hilfspaket. "Man musste dabei schon einmal ein schlechteres Gefühl haben", sagt ein Sitzungsteilnehmer.
Deutlicher wird Olli Rehn, als Währungskommissar einer der Chefaufseher über Athens Fortschritte. Er macht den Premierminister selbst als Garanten des Reformkurses aus: "Herr Samaras hat viele überrascht mit seiner Fähigkeit, den Reformkurs zu halten und so das Vertrauen in Griechenland wieder herzustellen", sagte Rehn der "Welt am Sonntag".
Vertrauen kehrt zurück, dieser flüchtige wie unverzichtbare Stoff. "Darin sind sich alle einig, von der internationalen Gemeinschaft über die Finanzmärkte bis zu den Griechen selbst", sagt Maria Damanaki, die griechische EU-Kommissarin.

Fitch stuft Griechenlands Bonität herauf

Die Ratingagentur Fitch nahm fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Herabstufung der griechischen Kreditwürdigkeit auf die unterste verfügbare Stufe nun genau diesen Schritt zurück und begründete die Entscheidung mit dem klaren Reformkurs der Regierung.
Die griechische Wirtschaft habe in der Wettbewerbsfähigkeit vier Fünftel des Abstands zum Durchschnitt der Euro-Zone wieder aufgeholt, urteilt Fitch. Die Messgröße ist schwer zu quantifizieren, weil ein jeder etwas anderes darunter versteht. Aber nicht zu übersehen ist, dass Griechenland die Arbeitskosten brutal gesenkt hat und inzwischen recht beherzt seinen Staatsbesitz privatisiert. Für Unternehmen kommt das Land wieder als Investitionsstandort infrage.
Das hilft Samaras auch in der Heimat. Nicht, dass die Griechen, das von ihrer Wirtschafts-, Schulden- und Staatskrise am meisten gebeutelte Volk Europas, dem Sparen viel abgewinnen können. Eine Umfrage des US-Forschungsinstituts Pew Research aus der zurückliegenden Woche zeigt deutlich, dass zwei Drittel der Griechen das Vertrauen in die EU verloren haben, und sogar drei Viertel bescheinigen Samaras eine schlechte Leistung in der Krisenbewältigung.

70 Prozent der Griechen für den Euro

Das Misstrauen seines Volkes teilt er mit den Regierungschefs Italiens und Spaniens. Aber knapp 70 Prozent der Griechen wollen den Euro behalten, und es ist nur eine knappe Mehrheit, die sagt: Statt zu sparen, müsse das Land Geld ausgeben, um Arbeitsplätze zu schaffen.
Bei der jüngsten Parlamentsentscheidung über den Abbau von weiteren 15.000 Stellen im öffentlichen Dienst, eine Voraussetzung für die Milliardenzahlung von der Euro-Zone, demonstrierten nur noch ein paar Tausend. Der gewaltbereite schwarze Block der Anarchisten? Nicht zu sehen. Die Besetzung öffentlicher Gebäude? Vorbei. So schnell vergeht ein Jahr, so viel kann sich ändern.
Fragil bleibt die Lage, denn die europäischen Anreize zu Reformen drohen sich rasch zu verlieren. Auch in Europa dreht die Stimmung, in die umgekehrte Richtung allerdings. Genug gespart, ruft Frankreichs Präsident, der doch in seinem ersten Jahr im Amt nicht einmal das Tempo der Neuverschuldung drosselte, von Schuldenabbau ganz zu schweigen.
"Schluss mit dem Zwang zur Konsolidierung", das ist allenthalben zu hören und in dieser Woche auch aus der EU-Kommission so deutlich wie nie: Die europäische Aufsicht über Finanzen und Reformen durch die Troika der Geldgeber habe ihre Unzulänglichkeiten bewiesen, sagte Rehns Kollege László Andor, zuständig für Soziales, am Mittwoch auf einer Veranstaltung im Europäischen Parlament. Die sollte eigentlich den Wandel in Griechenland aufzeigen, Andor aber sagte: "Es ist an der Zeit, diese Troika-Praxis rasch zu beenden."
19/5/13

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